Germanische Mythologie
1. Einleitung
Gesamtheit der Mythen aller germanischen Völker, die in vorchristlicher Zeit
gleichzeitig Teil der germanischen Religion waren. Die Frage inwieweit die
germanische Mythologie wie wir sie heute kennen, allen als Germanen bezeichneten
Gesellschaften gemein war, lässt sich nicht endgültig klären. Fest steht,
dass die verschiedenen Quellen aus oft weit auseinanderliegenden Regionen, vor
allem aus dem Norden Europas, stammen. Die heutige Forschung geht jedoch davon
aus, dass der Kult des Götterherrschers Odin von Westgermanien bis nach
Skandinavien bekannt war. Lokale
Götter, zu denen auch Ull, der Fruchtbarkeitsgott zählte, verloren im
Lauf der Zeit an Bedeutung. Ihre Stellung nahm Odin ein. Dieser war ein
Kriegsgott, der auch mit Gelehrsamkeit, Weisheit, Dichtkunst und Magie in
Verbindung gebracht wurde. Die frühesten
bekannten Fragmente von Mythen finden sich in alten Felsritzungen wie den
bronzezeitlichen von Buhlän sowie in Runeninschriften und Bildsteinen (um etwa
2000 v. Chr.). Die wichtigsten Berichte über die Glaubensvorstellung der
Germanen sind uns in den Schriften der antiken Geschichtsschreiber Caesar,
Tacitus und Plutarch überliefert. Diese Berichte sind aber ebenso kritisch zu
interpretieren, wie die mit christlichem Gedankengut durchsetzten
mittelalterlichen Aufzeichnungen christlicher Missionare und Historiker. Die
meisten Kenntnisse über die germanische Mythologie wurden durch die von
christlichen Historikern aufgezeichnete altnordische Literatur (siehe isländische
Literatur; norwegische Literatur), die Prosa-Edda, die Lieder-Edda und spätere
Sagen gewonnen. Weitere Zeugnisse stellen die Kommentare des dänischen
Historikers Saxo Grammaticus und des Chronisten Adam von Bremen dar, der
um 1100 lebte. Über die vorchristlichen religiösen Überzeugungen,
Einstellungen und Praktiken lässt sich aufgrund dieser Quellenlage mit
Bestimmtheit nur sehr wenig aussagen.
2.
Götter und Helden
Ursprünglich waren die Glaubensvorstellungen der Germanen eng mit einem ausgeprägten
Ahnen- und Totenkult verbunden. Auch die Verehrung der Naturgewalten war von
herausragender Bedeutung im Weltbild dieser Gesellschaften. Die germanische
Mythologie kennt Zwerge, Elfen und die Nornen, welche das Schicksal der
Sterblichen bestimmten. Ferner gab es persönliche Geister, wie z. B. die Hamingja. Die
Germanen glaubten, dass die beiden Göttergeschlechter Asen und Vanen
untereinander Krieg geführt und sich dann zu einer Gemeinschaft
zusammengeschlossen hätten. Odin war ursprünglich der Herrscher der Asen (göttliches
Geschlecht, also so wie Karolinger o.ä.), die sich aus mindestens 12 Göttern
zusammensetzten. Alle Götter lebten zusammen in Asgard. Neben Odin waren die
Hauptgottheiten der germanischen Mythologie seine Gemahlin Frigg, Göttin des häuslichen
Lebens; Thor, Gott des Donners, welcher die Menschen und die anderen Götter vor
den Riesen beschützte und bei den germanischen Kleinbauern besonders beliebt
war; Freyr, Gott des Wohlstandes; und Freyja, Schwester des Freyr, Göttin der
Fruchtbarkeit. Andere Götter waren Baldr, Hermodt, Tyr, Bragi
und Forseti sowie die Göttinnen Idun, Nanna und Sif.
Das Prinzip des Bösen unter den Göttern wurde durch Loki (welchen man wohl aus
vielen Filmen her kennen mag) verkörpert. Viele dieser Gottheiten scheinen
keine speziellen Funktionen innezuhaben. Sie tauchen lediglich als Gestalten in
Mythen auf. Viele
Helden galten als Nachkommen der Götter. Es sind u. a. Sigurd der
Drachentöter, Starkad und die Walküren. Die Walküren, eine Gruppe
jungfräulicher Kriegerinnen, zu denen auch Svava und Brunhild zählten,
wählten dem Odin die in der Schlacht gefallenen Krieger aus und brachten sie
nach Walhalla. Tagsüber übten sich die Krieger im Kampf, abends versammelten
sie sich zum gemeinsamen Mahl bis zum Ragnarök. An diesem Tag sollte es zur
letzten Weltschlacht kommen, welche den Untergang der Götter und die Errichtung
einer neuen Herrschaft des Friedens und der Liebe zur Folge haben würde. Gewöhnliche
Sterbliche wurden nach ihrem Tod von der Göttin Hel in einer unterirdischen
Welt aufgenommen, in der es keine Freude gab.
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Schöpfungsmythos
Die in der Lieder-Edda enthaltene Völuspá (Weissagung der Seherin)
beschreibt eine Zeit des Urchaos, dem die Schöpfung der Riesen, der Götter und
schließlich der Menschen folgte. Ginnungagap war das gähnende Nichts, Jotunheim
die Heimat der Riesen, Niflheim das Reich der Kälte und Muspellsheim
das Land des Feuers. Der große Weltenbaum Yggdrasil erstreckte sich über
Zeit und Raum, aber die böse Schlange Nidhöggr nagte ständig an seinen
Wurzeln. Unter einer der Wurzeln befand sich der Brunnen des Mimir, eine
Quelle der verborgenen Weisheit.
4. Religiöse Rituale
Zuerst erfolgte die Anbetung unter freiem Himmel, insbesondere unter Schutzbäumen
(wie Eichen etc.), an heiligen Quellen oder innerhalb geheiligter Orte, die
durch Steinblöcke gekennzeichnet waren. Später wurden Tempel aus Holz
errichtet und mit Altären und geschnitzten Darstellungen von Göttern versehen.
Bei den Ritualen wurden Tiere und manchmal sogar Menschen geopfert. Der
wichtigste Tempel befand sich in Altuppsala (das liegt in Schweden).